Rede zur Eröffnung der Ausstellung
Dr. Dirk F. Gniesmer, Garbsen
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Sehr verehrte Damen und Herren, liebe Kunstfreunde und Freunde der Denkanstöße!
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Es freut mich, heute in unserer Willehadikirche die Ausstellung ,Zwischen Tristesse und Träumerei - Bilder unseres Stadtteils" von Susanne Olbrich eröffnen zu können. Ich möchte jetzt einige Informationen zur Vorgeschichte der Bilder und dieser Ausstellung geben. Ich spreche über Kunst und Kunst in der Kirche und ich versuche, ganz subjektiv Denkanstöße, die die Gemälde uns geben können, auszusprechen und damit zum Betrachten und Weiterdenken anzuregen.
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27 Bilder hängen seit gestern in unserer Willehadikirche - Herrn Peter, Herrn Schuldig und Herrn van der Woude sei bei dieser Gelegenheit ganz herzlich für ihre tatkräftige Hilfe beim Hängen gedankt. Es sind 12 Bildpaare, drei davon zu einer Dreiergruppe erweitert. Sie zeigen jeweils im Ölgemälde Bilder unseres Stadtteils und dazu dann die Metamorphosen, die Verwandlungen des jeweiligen Bildes.
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Wie kam es dazu, dass diese Bilder in die Willehadikirche geholt wurden? Vor etwa einem Jahr waren viele der Gemälde in der Stadtbibliothek ausgestellt. Die Leinezeitung berichtete im Vorfeld und druckte auch Bilder ab, die mich spontan sehr angesprochen haben. Da war ein dunkelhaariges Mädchen zu sehen, es steht etwas verloren vor den für unsere Häuserblöcke typischen Müllcontainern. Traurig, aber irgendwie auch mehr als das: bewegend. Spielende Kinder an Hauseingängen, vor Müllcontainern und zwischen herumliegenden Einkaufswagen. Hier war etwas eingefangen, was typisch ist für unseren Stadtteil, wie ich es beinahe täglich erlebe, wenn ich mit dem Fahrrad zwischen den Höfen und Gassen unterwegs bin. Typisches Lokalkolorit, aber eigentlich nicht Kolorit - nicht Farbigkeit, sondern Tristesse.
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In der Ausstellung dann war ich fasziniert von den Verwandlungen, die diese Motive erhielten. Und plötzlich wurde in mir die Frage laut: Sind solche Verwandlungen, solch ein Aufblühen in all der Tristesse, nicht auch eine Aufgabe von Kirche in unserem Stadtteil? Träumereien davon, wie es anders sein könnte und auch handfeste Überlegungen, was veränderbar ist. Der Gedanke, die Bilder zu uns in die Kirche zu holen war geboren, und die Veranstaltungsreihe der Denkanstöße bot sich als das geeignete Forum.
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So haben wir also Kunst in die Kirche geholt, nicht zum ersten Mal, jedoch wieder ganz anders als vor zwei Jahren. Kunst in die Kirche holen, das meint mehr als kirchliche Kunst. Es geht nicht um Illustration biblischer Vorgaben, vielmehr um autonome eigenständige Suche nach dem Wesentlichen, nach dem Wahren - vielleicht auch ein Stück Suche nach dem Paradies, insofern können wir doch an unsere Ausstellung ,Lost Paradise Lost" anknüpfen.
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Worum geht es der Kunst? Das können vielleicht Berufenere als ich in Worte fassen. Bertolt Brecht sprach von Kunst als einem ,Luxus, den der Mensch braucht". Pablo Picasso meinte einmal, Kunst sei ,eine Lüge, die uns die Wahrheit erkennen lässt". Das ist vielleicht krass ausgedrückt. Aber in der Tat, wenn Wahrheit die Übereinstimmung einer Aussage mit der erfahrbaren Wirklichkeit ist, dann stimmen künstlerische Aussagen eben nicht mit ihr überein. Aber paradoxerweise eröffnen sie uns gerade so einen Mehrwert an Wahrheit, lehren uns neu sehen. Albert Camus nannte Kunst ,eine in Form gebrachte Forderung nach Unmöglichem". Das Unmögliche, das Wunderbare, das Wahre, das nicht Fassbare dennoch in eine Form zu bringen, das versucht die Kunst. Und ist sie dabei weit entfernt von der Kirche, von den Christen, die Jesus nachfolgen und dabei versuchen, auf dieser Erde so zu leben, als sei sie schon vom Reich Gottes her bestimmt?
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In der Kunst geht es um das Kreative, um das Schöpferische, um das Verwandelnde. Kunst will uns neu sehen lernen, will uns neue Perspektiven aufzeigen, neue Blickwinkel einnehmen lassen. Dazu muss das Herkömmliche und Vertraute schon mal auf den Kopf gestellt oder zur Seite gekippt werden. Oder auf seltsame Weise verwandelt werden, wie das auch in dieser Ausstellung geschieht.
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Kunst ist schöpferisch verwandelnd schon an sich. Das wird hier und jetzt aber ganz ausdrücklich, wenn sich die Kunst die Metamorphosen zum Thema nimmt. Metamorphose heißt Umgestaltung, Verwandlung. Es gibt sie im Bereich der Botanik und der Geologie bei Gesteinen. Zumeist aber denken wir an die uns immer wieder ins Staunen versetzende Verwandlung der Raupe zum Schmetterling. Metamorphose - ein wunderbare Verwandlung. Metamorphosen gibt es auch in der griechischen Mythologie, wenn sich Menschen in Pflanzen, Tiere oder gar Steine verwandeln. Oder wenn Zeus als Stier erscheint. Oder in der neueren Literatur bei Franz Kafka, der seinen Protagonisten sich in einen Käfer verwandeln lässt. Im Allgemeinen aber haben Metamorphosen immer einen positiven, wunderbaren Beiklang - und auch Kafkas Käfer gewinnt ja neue Perspektiven.
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Um Metamorphosen geht es auch in den hier ausgestellten Werken von Susanne Olbrich. Sie entstanden in den letzten zwei Jahren im Rahmen des Arbeitsforums Kunst. Anstöße waren die Themenvorgabe ,Figur im Raum" und eine Ausschreibung ,Typisch Garbsen - Bilder einer Stadt". Susanne Olbrich schreibt, wie sie mit diesen Anregungen umgegangen ist: ,Ziemlich bald wurde mir klar, dass ich an dem sozialen Brennpunkt unserer Stadt - dem Stadtteil ,Auf der Horst" nicht vorbeikam. Tagtäglich durchquere ich dieses Stadtviertel mit seiner komplexen inneren Problematik zumeist mit dem Fahrrad... und habe dabei zunehmend durch zahlreiche erfreuliche, aber auch bedrückende Beobachtungen, Begegnungen und Erlebnisse eine Sympathie für dieses Viertel mit all seinen unterschiedlichen Facetten entwickelt... An einem Sonnabendvormittag beschloss ich, auf Motivsuche zu gehen. Ich wollte aufgrund der Vorgabe ,Figur im Raum" Menschen im Stadtgebiet möglichst spontan und ungestellt fotografieren. An diesem sonnigen Spätherbstvormittag war der ganze Stadtteil von spielenden Kindern bevölkert. Es faszinierte mich, die zum größten Teil ausländischen Kinder unterschiedlichster Herkunftsländer in ihrem Spiel zu beobachten und sie möglichst unbemerkt zu fotografieren. Diese Fotos dienten mir dann später als Vorlage für die Gestaltung der Bilder."
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Die Ölbilder, die nach den Fotovorlagen entstanden, sind nun auch hier in der Willehadikirche zu sehen. Wie ich schon sagte, fangen sie für mich wirklich Typisches für unseren Stadtteil ein. Spielende ausländische Kinder, herumstehende Einkaufswagen, graue Häuserfassaden der immer gleichen Blocks, Müllcontainer, hier und da Sperrmüllhaufen, beschmierte Wände - und dazwischen immer wieder spielende Kinder zwischen Garagen und vor Hauseingängen - Tristesse, graue Alltagswirklichkeit. Es sind keine schönen Bilder, sagt auch Susanne Olbrich. Aber darum geht es auch nicht. Der von mir sehr geschätzte Theologe Paul Tillich schrieb einmal, dass im Bereich der Ästhetik der Begriff des Schönen wohl an Kraft verloren habe. Vielleicht könne man stattdessen von ,Ausdruckskraft" sprechen. Genau das trifft hier zu: Bilder von enormer Ausdruckskraft. Sind die nun typisch ,Auf der Horst"?
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Typisch für unsern Stadtteil - stimmt das? Ja und Nein. Immer wieder liest man aus unserem Bereich von Kriminalität und sozialer Problematik. Neulich war in der Zeitung von einer Stadtbegehung durch Politiker zu lesen, die genau dieses Erscheinungsbild kritisierten - und kürzlich machten wilde Sperrmüllhaufen Schlag-zeilen. Das stimmt. Ich komme in viele Häuser und Wohnungen. Dennoch kann ich wohl nur ansatzweise erahnen, wie viel Probleme, menschliches Leid, familiäre Verwicklungen hinter den Türen und Fenstern sich abspielen. Auch Susanne Olbrich schreibt: ,Aus all den Kinderbildern wird trotz der jeweiligen Spiel- und Unterhaltungssituation deutlich, dass diese Kinder aufgrund ihrer familiären Lebens- und Wohnsituation in komplexen Problemen stecken..."
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Das ist das Bild unseres Stadtteils - aber nicht allein unseres Stadtteils. Müllhaufen, Raubüberfälle, brennende Container gibt es auch anderswo, Drogenprobleme gibt es im Bärenhof, aber auch in Schloss Ricklingen. Es ist das Bild nicht nur unseres Stadtteils.
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Und es ist noch nicht das ganze Bild unseres Stadtteils - es gibt auch andere Seiten. Es gibt ja viele Bemühungen, Farbe in das graue Einerlei zu bringen. Wenn ich nur daran denke, was sich alles verändert hat, seit ich 1998 hierher kam. Damals war das neue Rathaus noch nicht eingeweiht, die letzten Baugebiete in Garbsen-Mitte erst im Entstehen. Und Auf der Horst? Seitdem ist der Hérouville-St.-Clair-Platz neu gestaltet, sogar mit einem plätschernden Brunnen versehen, die Passage von Wiglo zum Willehadikirchplatz ist erneuert - rot mit geschwungenen Linien. Das EKZ ist z. T. umgestaltet, ist heller und freundlicher geworden und auch einige Häuserfassaden sind renoviert: mit der Wärmedämmung kam ein strahlendes Weiß - ein ganz neues Erscheinungsbild - so auch uns gegenüber im Orionhof. [spätere Anmerkung: Und bunt verwandelt präsentiert sich neuerdings auch der Falkenhorst.] Und nicht zuletzt der Frühling bringt Farbe ins Spiel: Blühende Bäume und frisches Grün setzen unübersehbare Akzente. Umso deutlicher wird das im Vergleich mit Bildern unseres Wohngebietes aus der Anfangszeit in den 60er Jahren. Fazit: Es gibt nicht nur Tristesse.
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Aber ein bisschen weniger Tristesse ist noch keine Träumerei. Die aber liefert uns die Kunst. Für Susanne Olbrich ergab sich im Expo-Jahr 2000 mit der Themenstellung ,Metamorphosen" eine neue Herausforderung. Sie erschuf die Ölbilder noch einmal neu, fantasievoll verwandelt. Das Ergebnis dieser Metamorphosen können wir hier bewundern. Wir erkennen die Grundstrukturen der Bilder in den Metamorphosen wieder, doch mit Farbe und Fantasie auf erstaunliche Weise verwandelt. Verwandelt hat sich dabei auch der Stil: Zur Ölmalerei kamen die Techniken der Collage und Assemblage hinzu. Die Ursprungsfotos und andere Materialien wurden in die Gemälde einbezogen. Die Collagen wuchsen weiter ins Dreidimensionale zu so genannten Assemblagen: Sie erheben sich über das Bild hinaus, sie überschreiten auch mal die Abgrenzung des Rahmens. Man muss wohl schon mal aus dem Rahmen fallen, man muss transzendieren, um Neues zu schaffen - das gilt nicht nur in der Kunst.
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Und nun verdichten und vermischen sich die Expo-Eindrücke mit den Bildern vom Stadtteil Auf der Horst. Denn die Vielfalt der Länder und Nationalitäten haben wir nicht nur auf der Weltausstellung, sondern täglich in unserer Nachbarschaft. Aber dennoch ganz anders: wo stehen hier die Menschen Schlange, um in türkische Wohnungen und Familien hineinzuschauen, um mit griechischen, vietnamesischen oder italienischen Nachbarn Freundschaft zu schließen, um die Spätaussiedler aus Kasachstan oder anderen Teilen der ehemaligen Sowjetunion besser verstehen und kennen zu lernen? Die Frage richtet sich natürlich an beide Seiten: Gibt es offene Türen, freundliche Gastgeber und interessierte Besucher? Auf der Expo ist das gelungen.
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Susanne Olbrich schreibt: ,In meinen Metamorphosen wollte ich auch meine persönlichen Beobachtungen, Erfahrungen und Erlebnisse auf er Expo 2000 einbringen. Ich beschloss, die zum Teil extrem langen Warteschlangen vor den einzelnen Länderpavillons zu fotografieren und sie zum Teil gemalt, zum Teil als Collage in meine Metamorphosen auftauchen zu lassen. Bei meinen Expo-Besuchen stieß ich sowohl vor als auch in den Länderpavillons auf eine Vielzahl von jeweils landestypischen Figuren, Masken, Kleidern, Stoffen und Ornamenten, die mich sehr faszinieren. Sie sind teils fotografiert, teils gemalt in den Metamorphosen wiederzufinden. Bei meinen Expo-Besuchen stellte ich fest, dass viele Länderpavillons in ihrem äußeren Erscheinungsbild den Plattenbauten im Stadtteil Garbsen Auf der Horst verblüffend ähnlich waren und kam so auf die Idee, doch in den Metamorphosen die Garbsener Plattenbauten in unterschiedliche Länderpavillons der Expo zu verwandeln, sie in landestypischer Farbigkeit zu bemalen und mit landestypischen Ornamenten zu bemalen oder bekleben."
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So haben wir ein Stück Expo in unser Bild von Garbsen und heute in unsere Willehadikirche geholt. Und damit aber auch die Frage: Können die Impulse, die von der Expo ausgingen, auch im Alltag in Garbsen Auf der Horst sich auswirken? Das fröhliche Interkulturelle Miteinander, die offenen vorurteilslosen Begegnungen von Mensch zu Mensch, das friedliche Aufeinanderzugehen und Miteinanderleben?
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Metamorphosen, Verwandlungen im Stadtteil auf der Horst. Susanne Olbrich hat dies mit künstlerischer Fantasie Wirklichkeit werden lassen, hat das unmöglich Erscheinende in Form gebracht, hat - am Maßstab des Tatsächlichen gemessen - gelogen, um uns eine tiefere Wahrheit erkennen zu lassen.
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In Gedanken möchte eich einen kurzen Rundgang durch die Ausstellung mit Ihnen gehen, ohne allzu viel vorweg zu nehmen. Denn es ist vieles auch an kleinen Details auf den Bildern zu entdecken.
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Links vorne an der Altarwand starten wir den Rundgang. Das türkische Mädchen, mit dem die Serie begann. Vor dem Müllcontainer, aber doch auf dem Weg zum Licht. Das warme Rot der Herbstfärbung verstärkt sich in der Metamorphose - auch in dem nebenhängenden Bildpaar. Dazu kommen Eindrücke vom türkischen Pavillon, wo die Besucher über ein Brücke hineingelangten - eine Brücke, die unterschiedliche Länder und Kulturen verbindet. Und aus dem Müllcontainer steigt jetzt ein Engel auf, der im türkischen Pavillon zu finden war und jetzt schützend und behütend über der Szene erscheint.
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Recht vom Kruzifix gelangen wir nach Japan. Die Grundform des Hauses mit dem auf den Eingang zuführendem Weg hat sich in einen Kimono verwandelt und auch in eine Maske mit herausgestreckter Zunge. Verschlingt es die Menschenschlangen oder spuckt es sie aus? Wie ergeht es den Menschen, die sich auf dieses Fremde einlassen?
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Im rechten Seitenschiff hängen zwei Bildpaare, bei denen die Strukturen des Ölbildes und der Verwandlung sich jeweils sehr deutlich entsprechen. Fantasie und Farbe kommt ins Spiel und verwandelt die Szenerie. Blumen erblühen, ein Elefant erscheint, wir sind in Indien. Und daneben in Russland. Auf grauem Weg sind die Kinder Richtung EKZ unterwegs. In der Metamorphose verwandelt sich dieses Ziel: Im Rahmen hervorgehoben das Foto einer russisch-orthodoxen Kirche oder einer Moschee? Es könnte auch ein Kulturzentrums ein. Wohin strömen die Menschen - zum EKZ oder zu Kultur und Kirche? Die Realität spricht für Ersteres, die träumerische Metamorphose für Letzteres und hat die Verheißung, dass dies Menschen verwandelt zurückkommen.
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Hinten in der Kirche entdecken wir nebeneinanderher spielende Kinder. Eine leere Dose als Spielzeug. Die Herbstfarben tönen das Bild zwar warm, doch ist auch viel Grau dabei. Das aber verwandelt sich in das flammende Rot einer spanischen Szenerie. Eine feurige Flamencotänzerin und Fächer kommen dazu. Neben dem Rot steht das griechische Blau. Wunderbar verwandelt sind die Häuserfassaden durch Säulen und die Mäander der griechischen Ornamentik. Ein drittes Thema macht die Mäander zu Symbolen des Weges, auf dem die Menschen unterwegs sind, auch die Kinder vom Ursprungsfoto sind mehrfach wieder zu entdecken. Zugleich aber haben sich diese Kinder rund um den Einkaufswagen in griechische Amphoren verwandelt. Ein Symbol dafür, dass sich Menschen von ihrer nationalen Identität erfüllen lassen, sie nicht verleugnen? Wohin sind die Menschen auf den Mäandern unterwegs, wohin die Menschen in der Fremde? Wo ist ihre Identität, wo ihre Wurzeln, wo ihre Ziele?
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Unter der Orgelempore werden wir nach Afrika geführt. Der Häuserblock verwandelt sich in die Afrikahalle. Im Gartenhäuschen sitzt eine Afrikanerin, kreativ tätig. Die Afrikahalle, um 90 Grad gedreht, verwandelt sich in die Garbsener Blöcke. Eine ungewohnte Perspektive, die Entsprechungen entdecken lässt.
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Daneben schreitet der italienische Stiefel durchs Bild. Das Mädchen erscheint wieder als Beobachterin am Fenster. Was kommt heraus aus dem Stiefel?
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Ganz rechts an der Empore wieder ein afrikanisches Motiv. Ornamentik einer Moschee und Muster von Teppichen sind aufgegriffen und das Buch von Tahor Ben Jalloun: Was ist ein Fremder? Ein Kinderbuch über Fremdheit und Rassismus, das auch Erwachsenen Fragen aufwirft: Was ist ein Fremder? Wir alle sind Fremde fast überall auf der Welt. Was ist Heimat? Kann Fremde zur Heimat werden? Fremde Heimat Garbsen.
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Im linken Seitenschiff begegnet und die Musik: Frédéric Chopin, der gebürtige Pole, blickt aus dem Fenster. Der Einkaufswagen der Kinder verwandelt sich in Klaviaturen. Im Einkaufswagen stecken Noten. Was kaufen wir ein? Was konsumieren wir? Was brauchen wir zum Leben? Es könnte mehr sein als Langeweile und am Kiosk gekaufte Süßigkeiten für die Kinder. Aber wer sagt ihnen das? Wer eröffnet ihnen neue Welten - etwa der Musik?
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Das 12., abschließende Bildpaar zeigt uns einen großen Sperrmüllhaufen. Es ist das dunkelste Bild. Hinter dem Müll ein Wegweiser, er erscheint jetzt beinahe als Kreuz, als Gipfelkreuz. Gewinnt ungeahnte Bedeutungsdimensionen. Der Sperrmüll, all das, was weggeworfen und nicht mehr gebraucht wird, verwandelt sich in der Metamorphose in all das, was auch unser Leben verändern und gestalten, erfüllen könnte. Quasi als Finale, als alles zusammenfassende Coda tauchen jetzt fast alle Motive der Einzelbilder wieder auf. Kimono, Elefant, russische Puppen und vieles mehr - gehen Sie auf Entdeckungsreise! Auf der Spitze des Berges steht jetzt das Zeichen für HIT. Steht doch der Konsum obenan? Nein, über allem schwebt wieder der Engel, der uns ganz am Anfang begegnete.
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Soweit unser Rundgang. Ein Rundgang durch die Kirche. Und ich denke, durch ihre Platzierung in der Kirche bekommen die Bilder nochmals einen neuen Kontext. Die Verbindung zum christlichen Glauben, zum Auftrag der Nachfolge Jesu. Jesus selber war ein Meister der Metamorphose, er konnte Menschen verwandeln, heil machen, Gemeinschaft und Frieden stiften. Das ist auch unser Auftrag.
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Vielleicht können uns die fantasievollen Metamorphosen von Susanne Olbrich anregen zu der Frage, wie auch wir in unserem Stadtteil verwandelnd wirken können - zum Wohle der Menschen. Ich sagte bereits, dass ja schon einiges geschieht. Z. B. in unserem Kindergarten mit seinen vielen Nationalitäten gibt es interkulturelles Leben und auch Sprachförderung. St. Raphael setzt sich für ausländische Schüler ein, die Saturnringschule ist bei aller Problematik sehr engagiert. Es gibt den Ausländerbeirat. Seit kurzem auch die türkische Gemeinde. Wir alle müssen zusammenwirken. Aber wir brauchen auch neue Ideen und Gedankenanstöße, Menschen mit Fantasie.
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Dazu hilft uns auch die Kunst. Die Ausstellung gibt uns Denkanstöße, gerade auch die positiven Auswirkungen der Expo in Garbsen zu nutzen für Völkerverständigung und gegen Fremdenfeindlichkeit.
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Hier gibt es viel zu tun. Gemeinsam können wir an unserem Bild von Garbsen arbeiten, es verändern und gestalten. Bilder von Garbsen verkaufen wir in dieser Ausstellung nicht. Über Kunsthändler hat mal jemand gesagt, das sei eine Kaufmann, der Bilder, von denen er nichts versteht, an Leute verkauft, die von ihnen nichts verstehen, zu Preisen, die niemand versteht.
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Bei uns hier ist alles umsonst - es kostet nichts. Und hoffentlich doch nicht umsonst im Sinne von vergeblich. Wenn wir mit dieser Ausstellung Denkanstöße geben können und Menschen bewegen, kreativ gestalterisch mitzuschaffen am Bild von Garbsen, dann haben wir viel erreicht. Dann wird uns die Kunst zum Luxus, den der Mensch braucht, der uns verwandelt.
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In diesem Sinne wünsche ich der Ausstellung viel Erfolg.
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Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit und vor allem danke ich Frau Olbrich für ihre Bilder.